SPERRFRIST: 14:15 UHR
Steffi Lemke
Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
Grußwort
anlässlich der Eröffnung und Schlüsselübergabe des
Natur-Erlebniszentrums Döberitzer Heide
am 15.03.2024
ES GILT DAS GESPROCHENE WORT!
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Woidke,
sehr geehrter Herr Dr. Brickwedde,
meine Damen und Herren,
das ist ein wirklich angenehmer Termin heute hier in der Döberitzer Heide. Es ist eine wunderbare Landschaft, die sich seit dem Ende als Truppenübungsplatz wieder erholen und natürlich entwickeln konnte. Diese Heidelandschaft in Sichtweite von Berlin und Potsdam ist ein ökologischer Schatz. Ihre Laubmischwälder, Moore und Feuchtwiesen bieten Lebensräume, Erholung und sie können große Mengen an Kohlenstoff speichern.
Diese und viele andere Fähigkeiten der Natur sind unsere Existenzgrundlagen und unsere Lebensversicherung. Klimaschutz und Naturschutz gehören deshalb zusammen und müssen zusammengedacht werden. Wir müssen noch viel besser darauf achten, dass die Synergien zwischen beiden genutzt werden.
Aber unsere Natur und die Naturschutzpolitik stehen unter vielfachem Problemdruck. Ganz besonders die Wälder haben in den Jahren seit 2018 unter der extremen Dürre sehr gelitten. Viele Bäume sind abgestorben. Es ist eine große Erleichterung, dass der langanhaltende Regen in den letzten Monaten diese Dürrezeit beendet hat. Es gilt nun, daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, um das Wasser länger in der Landschaft zu halten. Wir brauchen einen anderen Umgang mit Wasser, wenn es durch die Klimakrise mal zu wenig und dann wieder sehr viel Wasser gibt. Gesunde Wälder können ein wichtiger Teil der Lösung sein.
Ein anderer Problemdruck sind populistische Erzählungen und Anfeindungen. Auch der Naturschutz wird missbraucht als Instrument der Spaltung und falscher Gegensätze: Stadt gegen Land, Wissenschaft gegen den gesunden Menschenverstand, eine imaginäre Mehrheit gegen angeblich verschworene Eliten. Solche Erzählungen sind brandgefährlich. Sie helfen der Natur nicht, sie verhindern vielmehr eine erfolgreiche Umweltschutzpolitik und zerstören den gesellschaftlichen Zusammenhalt – auf den wir gerade in krisenhaften Zeiten besonders angewiesen sind. Es ist schade, wenn wir trotz des schönen Anlasses und in dieser großartigen Landschaft darüber sprechen müssen. Aber es hängt viel davon ab, dass wir unsere freiheitliche Demokratie stark verteidigen.
Die Döberitzer Heide ist für mich in vielfacher Hinsicht ein Schatz und das Naturerlebniszentrum ist ein weiterer Schritt, die Heide mit ihren über 6.600 verschiedenen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten für naturschutzinteressierte Menschen zu erschließen. Dafür wurde die frühere sowjetische Kommandantur zu einem Ort der Begegnung umgebaut. Das ist ein beeindruckendes Beispiel, wie eine schwierige Vergangenheit bearbeitet und daraus etwas Positives entstehen kann.
Erfolge des Naturschutzes in Deutschland – wie der Schutz der Döberitzer Heide - kommen nicht von selbst. Wir verdanken sie nicht zuletzt der Friedlichen Revolution in der DDR vor fast 35 Jahren. Zu den Zielen der Revolution zählten nicht nur Demokratie, freie Wahlen und Reisefreiheit, sondern auch die Rettung der geschundenen Natur. Der Beschluss des Nationalparkprogramms in praktisch allerletzter Minute vor der Vereinigung 1990 war eine große und großartige Leistung. Sie ist die Grundlage dafür, dass wir inzwischen über 100 Großschutzgebiete in ganz Deutschland haben, auf mehr als 30 Prozent unserer Landesfläche.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, der Heinz-Sielmann-Stiftung für ihr langjähriges Engagement zu danken. Was Sie hier und anderswo leisten, ist wirklich vorbildlich. Erst kürzlich konnte ich gemeinsam mit der Sielmann-Stiftung und Kulturstaatsministerin Claudia Roth den Eisvogel-Preis für nachhaltige Filmproduktionen an unterschiedliche Produktionsteams überreichen. Der Stiftung verdanken wir viele Naturerlebnisorte in Deutschland und jetzt auch dieses Naturerlebniszentrum in der Hauptstadtregion. Damit wird das Engagement von Heinz und Inge Sielmann vollendet, das mit dem Erwerb der Flächen im Jahr 2004 begonnen hat.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit der Nähe zu Berlin und Potsdam vielfältiges Interesse für Ihre Angebote finden. Bei Jung und Alt, aus Stadt und Land und bei Touristinnen und Touristen aus der ganzen Welt.
Die Bedeutung einer geschützten Landschaft wie der Döberitzer Heide geht weit über die Region hinaus: Im letzten Jahr wurde auf der Weltnaturkonferenz in Montreal der Globale Biodiversitätsrahmen verabschiedet. Ein Schutzschirm für die Natur, unter anderem mit dem Ziel, je 30 Prozent der Flächen an Land und Meer unter Schutz zu stellen und mindestens 30 Prozent der geschädigten Naturräume wiederherzustellen. Auch in der EU haben wir uns viel vorgenommen, beispielsweise mit der Biodiversitätsstrategie für 2030 und der EU Wiederherstellungsverordnung.
Mit der Neuauflage der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt 2030 sollen die globalen und die europäischen Ziele für Deutschland beschrieben werden. Dafür haben wir auf eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit gesetzt.
Im März 2022 hat die Bundesregierung das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz beschlossen. Damit wollen wir Ökosysteme schützen, stärken und wiederherstellen, um ihre Rolle als natürliche Klimaschützer zu erhalten. Dabei spielt auch die Wildnisentwicklung eine Rolle, denn ursprüngliche Ökosysteme wie hier in der Döberitzer Heide können dazu beitragen, die Folgen des Klimawandels abzufedern und Kohlendioxid zu binden.
Hier in der Döberitzer Heide wird seit Ende der Nutzung als Truppenübungsplatz und der Sicherung als Naturschutzgebiet genau das umgesetzt, was europa- und weltweit mit den genannten Vereinbarungen und Strategien erst noch passieren soll. Hier ist vorbildhaft zu sehen und zu erleben, was mit Schutz und Wiederherstellung gemeint ist, welche konkreten Chancen darin liegen.
Für mich und für das Bundesumweltministerium sind der Schutz, die Stärkung und die Wiederherstellung von Ökosystemen Schlüsselthemen im Kampf gegen die Klimakrise und das Artenaussterben. Dafür haben wir das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz an den Start gebracht. Wir müssen der Natur helfen, damit sie uns beim Klima- und Artenschutz, bei der Vorsorge und bei der Anpassung an die Folgen der Klimakrise helfen kann. Dafür investieren wir mit dem Programm in den nächsten Jahren rund 3,5 Milliarden Euro. Im Rahmen des Aktionsprogramms wird derzeit ein weiteres Förderprogramm für kleinere Wildnisflächen erarbeitet. Eine neu geschaffene KlimaWildnisZentrale soll über Wildnis im Kontext des natürlichen Klimaschutzes informieren und ein Netzwerk von KlimaWildnis-Botschafterinnen und -Botschaftern vor Ort unterstützen.
Die Heinz-Sielmann-Stiftung ist auch hier Partnerin in einem Bilanzierungsprojekt, das bundesweit Wildnisgebiete recherchiert und bilanziert. Erstmals gewinnen wir damit umfassend Klarheit darüber, wie groß die existierenden Gebiete sind und wie viel Prozent der Landesfläche sie umfassen.
Gebiete wie die Döbritzer Heide sind mit ihrer Vielfalt Freiraumlabore, in denen Arten in natürlichen Prozessen auf die Herausforderungen des Klimawandels reagieren können. Hier kann die natürliche Dynamik insbesondere großer Säugetiere und ihr Einfluss auf die Artenvielfalt beobachtet werden. Deshalb sind die großen Pflanzenfresser - Wisente, Przewalski-Pferde und Rothirsche - nicht nur für die Besucherinnen und Besucher die „Stars der Heide“.
Die Entwicklung der Döberitzer Heide zeigt: Naturschutz wirkt. Der erfolgreiche Artenschutz, den Sie hier ermöglichen, trägt mit zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen bei. Sie zeigen hier, dass der Naturschutz erfolgreich sein kann und mit einem Gewinn für das Leben der Menschen vor Ort verbunden ist. Für diesen gelebten Naturschutz und die Vermittlung des Wissens ist das Naturerlebniszentrum ein herausragendes Beispiel. Die Heinz-Sielmann-Stiftung ist im 30. Jahr ihres Bestehens ein starker Partner, um den Naturschutz weiter in die Herzen der Menschen vor Ort zu tragen. Das ist ein ermutigender Befund und es stärkt den Naturschutz gegen alle Angriffe von Populisten und Rechtsextremisten. Vielen Dank dafür und viel Erfolg mit dem neuen Naturerlebniszentrum!
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